Der Künstler schreibt

Vincent van Gogh, Selbstporträt (1887)

Das Leben des heutzutage weltberühmten Künstlers Vincent van Gogh war oft nicht leicht. Erfolglosigkeit, Selbstzweifel, Armut und Geisteskrankheit prägten sein Schicksal und wurden gleichzeitig von ihm im regen Briefwechsel mit seinem Bruder verewigt. Anlässlich seines 170. Geburtstages lohnt es sich, einen Blick auf diese Briefe zu werfen, die ein Dokument der einzigartigen künstlerischen Entwicklung des Malers darstellen. 


von JULIA LEWEN 

Vincent Willem van Gogh wird am 30. März 1853 in Groot-Zundert, einer Gemeinde in den Niederlanden, geboren. Er hat fünf jüngere Geschwister, von denen einer, nämlich Theo, eine ganz besondere Rolle in van Goghs Leben spielt. Denn es ist vor allem Theo, der nicht nur später der Händler seiner Bilder, sondern auch der Adressat seiner vielen Briefe wird. Was viele nicht wissen: Bevor van Gogh zu malen anfängt, schreibt er Briefe. Die beiden Brüder führen ab 1872 einen umfangreichen Briefwechsel, der bis zu 1000 Briefe hervorbringt und eine sehr wichtige Quelle für die van-Gogh-Forschung darstellt. In den Briefen finden sich zahlreiche vorgefertigte Skizzen sowie Hinweise auf seine malerischen Werke. In einem seiner Briefe schreibt Vincent über ein neues Werk, welches er begonnen hat: 

Mein lieber Theo – endlich schicke ich Dir eine kleine Skizze, um Dir wenigstens einen Eindruck zu vermitteln, welche Richtung die Arbeit nimmt. Denn heute habe ich damit angefangen. Meine Augen sind noch müde, aber endlich habe ich eine neue Idee im Kopf, und hier ist die Skizze davon.

Das Schreiben und das Malen sind bei van Gogh sichtbar eng miteinander verknüpft.


Bruderschaft, Briefe und Bedürftigkeit

Vincent hatte in seinem Leben nur wenig Erfolg mit dem Verkauf seiner Bilder. Tatsächlich konnte er nur eines – Der Rote Weinberg (1888) – verkaufen. Es kommt zum Pakt zwischen den Brüdern: Im Gegensatz dafür, dass Theo dem Künstler den Lebensunterhalt finanziert, überlässt ihm Vincent all seine Bilder. Doch van Gogh lebt auch weiterhin in ständiger Geldnot. Mit einem Brief im Jahr 1890 verkündet Theo seiner Frau Johanna seinen Wunsch für einen größeren Erfolg für den Bruder: 

In seinem Brief waren auch ein paar Skizzen von Bildern, an denen er arbeitet. Wenn er doch nur jemanden finden würde, der ein paar von ihnen kauft, aber ich fürchte, das könnte noch eine sehr lange Zeit dauern. Aber man kann ihn nicht fallen lassen, wenn er so hart und so gut arbeitet. Wann wird eine glückliche Zeit für ihn kommen? Er ist so durch und durch gut und hat mir so viel geholfen weiterzumachen.

Die letzten Briefe

Van Goghs spätere Briefe gingen ebenfalls an seinen geliebten Bruder Theo. Der letzte Brief, geschrieben am 23. Juli 1890, beinhaltet eine Skizze, auf die Vincent nicht weiter eingeht. Der Inhalt drückt Vincents niedergeschlagenen Gemütszustand aus. Der Künstler fühlt sich zunehmend traurig und einsam, was sich ebenfalls in seinen Werken widerspiegelt (Beispiele dafür sind die Bilder Weizenfeld mit Krähen oder Reetgedeckte Sandsteinhäuser in Chaponval). In diesem Brief schreibt Vincent: „Nun gut, bei meiner Arbeit riskiere ich mein Leben, und mein Verstand ist zur Hälfte draufgegangen.” Und der Maler hat mit diesen Worten nicht gelogen. Wie sehr sein Verstand unter seiner Arbeit gelitten hat, zeigt sich als Resultat eines Streits mit seinem Künstlerkollegen Paul Gauguin, bei dem sich Vincent das Ohr abgeschnitten haben soll. Der Künstler lässt sich 1889 selbst in eine Nervenheilanstalt einliefern, nachdem seine Verwirrtheit zunimmt. Im selben Jahr schluckt der Künstler giftige Farben, was auf morbide Art und Weise einen ziemlich naheliegenden Selbstmordversuch eines wahnsinnigen Malers darstellt. Der Künstler überlebt, doch sein Lebenswille ist dennoch nicht zurückgekommen. Am 27. Juli 1890 erschießt sich van Gogh in einem Feld und stirbt zwei Tage später an seinen Verletzungen.

24 Jahre danach, im Jahr 1914, veröffentlicht Theos Witwe Johanna den Briefwechsel der beiden Brüder. Damit bekommt auch die Öffentlichkeit einen Einblick in Vincent van Goghs tragische Lebensumstände.  Er wird zum Inbegriff eines missverstandenen Genies, was auch heute noch in Literatur, Film, Musik und Kunst aufgegriffen wird. 

Empfehlung: 

Vincent van Gogh: Briefe 

Reclam, 435 Seiten

Preis: 15,00 Euro

ISBN: 978-3-15-020538-9

Film: Van Gogh – An der Schwelle zur Ewigkeit (Originaltitel: At Eternity’s Gate)

Erscheinungsjahr 2018

111 Minuten 

Regie: Julian Schnabel 

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